Werden Patienten, die wegen Nierenversagen auf der Intensivstation liegen und zufällig positiv auf Corona getestet werden, als „Coronafälle“ gezählt? Solche und ähnliche Fragen stellt der Verfassungsgerichtshof (VfGH) an den grünen Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein. Bis zum 18. Februar will das Höchstgericht Antworten, denn am 28. Februar kommen die Richter zur nächsten Session zusammen.
Schreiben auf Echtheit überprüft
Dieses elektronisch signierte PDF an Mückstein, das unzensuriert unter der Aktenzahl V11/2022-4 vorliegt und dessen Echtheit wir auf www.signaturpruefung.gv.at geprüft haben, ist eine kleine Sensation. Zum ersten Mal könnten Daten, die zum Beispiel FPÖ-Parteichef Herbert Kickl schon längst einforderte, geliefert werden und womöglich für Überraschungen sorgen. Für welche Verhandlung die Zahlen und Fakten erhoben werden, geht aus dem Schreiben nicht hervor – die Pressestelle des VfGH hat eine diesbezügliche Anfrage von unzensuriert am Samstag nicht beantwortet.
Zählweise von Verstorbenen hinterfragt
Der VfGH will von Mückstein wissen (wir zitieren aus dem Schreiben):
Der Verfassungsgerichtshof ersucht daher um Auskunft, ob die in den Verordnungsakten angegebenen Hospitalisierungs- bzw. Verstorbenenzahlen alle mit SARS-CoV-2 infizierten Personen, die in Spitälern auf Normal- oder Intensivstationen untergebracht sind bzw. die “an oder mit” SARS- CoV-2 verstorben sind, umfassen? Wenn ja, warum wird diese Zählweise gewählt?
Frage nach Virusvarianten
Weitere Fragen sind unter anderem:
Wie hoch ist die Zahl der Todesfälle pro 100.000 Erkrankungsfällen nach Alterskohorten und Geschlecht? Wie hoch ist die Zahl der Hospitalisierungen auf Normal- bzw. Intensivstationen pro 100.000 Erkrankungsfällen nach Alterskohorten und Geschlecht? Welche Virusvarianten waren am 1. Jänner 2022, am 25. Jänner 2022 und tagesaktuell zu welchen Prozentsätzen bei Infizierten bzw. Hospitalisierten bzw. Verstorbenen vertreten?
Wie hoch ist das Übertragungsrisiko beim Tragen einer FFP2-Maske?
Interessant auch die Frage, um welchen Faktor das Tragen einer FFP2-Maske in geschlossenen Räumen bzw. im Freien das Ansteckungs- bzw. Übertragungsrisiko reduziert? Oder aber auch, worauf sich eine angegebene Impfwirksamkeit von beispielsweise 95 Prozent bezieht und was in diesem Zusammenhang absolute und relative Risikoreduktion bedeutet?
Sinnhaftigkeit von PCR-Tests
Der VfGH hinterfragt auch die Sinnhaftigkeit von PCR-Tests und zwar:
Mit welcher Wahrscheinlichkeit schließt ein negativer molekularbiologischer Test auf SARS- CoV-2 aus, dass die getestete Person innerhalb von 72 Stunden ab Testnahme andere Personen mit SARS-CoV-2 infizieren kann?
Wie erklärt sich die Übersterblichkeit?
Thema sind auch die Angaben zur Übersterblichkeit, unter Punkt zehn fragt der VfGH Minister Mückstein:
Die Tageszeitung “Der Standard” berichtete am 2. Dezember 2021 unter der Überschrift “Weniger COVID-19-Opfer als letzten Herbst, aber höhere Übersterblichkeit”, dass es gegenüber dem Vorjahr um ein Drittel weniger COVID-19-Todesfälle gebe, zugleich aber eine wöchentliche Übersterblichkeit im dreistelligen Bereich. Trifft dies zu? Falls ja, wie hoch war die nicht durch an COVID-19 verstorbenen Personen erklärbare Übersterblichkeit in Summe im Jahr 2021, und wie erklärt sich diese Übersterblichkeit?
Rechtsanwalt sieht Auswirkungen auf die Impfpflicht
Der Wiener Rechtsanwalt Dr. Michael Witt findet es interessant, dass sich der VfGH aktuelle Statistiken und Zahlen wünscht. Diese könnten praktisch auch für das Impfpflichtgesetz präjudiziert werden, so Witt, der gegenüber unzensuriert meinte:
Wenn der Gesundheitsminister keine entsprechenden Zahlen liefert – und der VfGH mangels evidenzbasierten Zahlen die angefochtenen Verordnungen kippt, hält auch die Impfpflicht einer Verhältnismäßigkeitsprüfung , die ja auf diesen vorliegenden Zahlen und Statistiken begründet ist, durch den VfGH nicht stand – ohne dass andere Überlegungen zu den Grundrechten und völkerrechtlichen Eingriffen und Verletzungen angestellt werden müssen!