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Die finanzielle Krise des Bundesheeres geht maßgeblich zu lasten der ÖVP.

5. Juli 2019 / 07:07 Uhr

Landesverteidigung: SPÖ und ÖVP ohne großes Interesse – mit einer kurzen Ausnahme

Der Weg in die Unabhängigkeit der Zweiten Republik nach 1945 war steinig, jedoch noch viel steiniger war die Neugründung von stehenden Streitkräften der neuen unabhängigen Republik Österreich. Beide Großparteien, die bürgerliche ÖVP und die linke SPÖ, hatten grundverschiedene Vorstellungen über ein neues Bundesheer. Die SPÖ war obendrein noch im Schock des 1934er-Jahres verhaftet.

Bundesheer als Kompromiss zwischen Rot und Schwarz

Das Bundesheer des Jahres 1955 war schließlich ein Kompromiss. Die beiden Koalitionspartner waren auch froh, dass der Staatsvertrag Einschränkungen bei der Bewaffnung vorsah, was sich auch budgetär auswirken sollte.

Verteidigungsminister der ersten Stunde war der ÖVP-Politiker Ferdinand Graf, der realpolitisch beim Verteidigungsbudget nichts mitzureden hatte. Dem Autor liegen Unterlagen vor, die zwar nicht als Aktenvermerk zu qualifizieren sind, weil eine Unterschrift des Verfassers und ein Datum fehlen, aber deren Inhalt glaubhaft ist, da es die im Schreiben vorkommenden Personen tatsächlich gegeben hat. Liest man das Schreiben aufmerksam durch, so hat der damalige Bundeskanzler (vermutlich Julius Raab von der ÖVP) auf Anraten des damaligen Finanzministers (vermutlich Reinhard Kamitz von der ÖVP) den Voranschlag für das Militär von 2,1 Milliarden Schilling um 600 Millionen gekürzt. Diese Vorgangsweise zeigt bereits eine gewisse Ignoranz gegenüber der Landesverteidigung durch höchste ÖVP-Politiker jener Zeit.

Kein Grenzschutz 1968

Springen wir um mehr als zehn Jahre in das Jahr 1968. Damals ließ Bundeskanzler Klaus einer ÖVP-Alleinregierung das Bundesheer nicht zum Grenzschutz direkt an die tschechische Grenze abrücken, sondern ordnete den Halt 30 km vor der Grenze an. Der Imageschaden für das Heer war dadurch gigantisch und ließ sehr bald die Sinnkrise im Heer aufkommen.

In der Phase der Alleinregierung der SPÖ von 1970 bis 1983 war die ÖVP als Oppositionspartei politisch abgemeldet – auch in Bezug auf die Landesverteidigung. Die Wehrsprecher waren bis auf einige rühmliche Ausnahmen zumeist “Hinterbänkler” ohne politische Hausmacht in der ÖVP.

Positive Entwicklung Ende der 1980-er Jahre

Nach einer mehr als 15-jährigen Durststrecke in der Opposition kam die ÖVP 1986 wieder zu Regierungsehren und musste als Juniorpartner der SPÖ das Verteidigungsressort übernehmen. Die Zeit der Ressortführung zwischen 1986 und 1990 durch Robert Lichal war für das Bundesheer eine ausgesprochen positive Zeit. Lichal wurde aber bald weggelobt und zweiter Nationalratspräsident.

Das Ressort übernahm danach Werner Fasslabend, ein damals noch unbekannter junger Politiker der ÖVP. Fasslabend sollte danach fast zehn Jahre Verteidigungsminister bleiben. Geld gab es zwar auch nicht mehr, aber es war eher eine ruhigere Zeit für das Bundesheer. Und auch die Leistungen des Heeres während der Jugoslawienkrieges 1991 und der Assistenzeinsatz an der Staatsgrenze konnten sich sehen lassen.

Schüssel ohne Interesse an Landesverteidigung

Die Zeit der Regierung Schüssel (ÖVP) wird für ewig mit der unglücklichen Beschaffung des Kampfflugzeuges eingehen. Wolfgang Schüssel war selbst an Verteidigungsfragen kaum interessiert und so kam ein Kauf zustande, der bei den Gegengeschäften und durch die Abbestellung von Flugzeugen wegen einer Hochwasserkatastrophe selbst zur Katastrophe wurde.

Die Typenentscheidung und alles, was rund um die Typenentscheidung falsch lief, muss zu einem hohen Prozentsatz der ÖVP angelastet werden. Im Rampenlicht der Negativberichterstattung standen aber der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser (FPÖ) und der Verteidigungsminister Herbert Scheibner (FPÖ).

Seit ÖVP-Platter – Miliz am Ende

Ganz schlimm für die Landesverteidigung wurde es unter Günther Platter (ÖVP), als er für eine Idee der höchsten ÖVP-Führung den Slogan “6-Monate sind genug” in die Tat umsetzen und die Waffenübungen für die Miliz aussetzen musste. Seitdem siecht die Miliz sterbenskrank dahin.

In der Regierung Gusenbauer (SPÖ) war es dem Koalitionspartner ÖVP nur recht, dass er nicht den Verteidigungsminister stellen musste. Man merkte auch an den Aktivitäten der damaligen Wehrsprecher der ÖVP, dass die ÖVP in ihrer Rolle als Juniorpartner in der Regierung keine Aktivitäten im Zusammenhang mit der Landesverteidigung setzen wollte.

Antrag zur Bundesheerfinanzierung ohne ÖVP

Und auch in der kurzen Phase der türkis-blauen Koalition hörte man vom Wehrsprecher der ÖVP so gut wie gar nichts. Beim letzten SPÖ-FPÖ-Entschließungsantrag zur ausreichenden finanziellen Ausstattung des Bundesheeres ging die ÖVP nicht mit, sondern brachte einen eigenen Entschließungsantrag ein, in dem die Bundesregierung ersucht wird, alle notwendigen Beurteilungs- und Entscheidungsgrundlagen für eine zeitnahe und effiziente Erstellung des nächsten Bundesfinanzrahmengesetzes und Bundesvoranschlags für die Untergliederung 14 (militärische Angelegenheiten) bis Ende September 2019 zu erstellen.

Spätestens aber nach der nächsten Wahl kann die ÖVP, sollte sie wieder Regierungsverantwortung tragen und dabei sogar den Bundeskanzler und auch den Finanzminister stellen, beweisen, dass ihr das Bundesheer ein Anliegen ist, und sie kann, auch wenn der Verteidigungsminister kein ÖVP-Politiker ist, dem Bundesheer ein wesentlich höheres Verteidigungsbudget zugestehen.

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