Während es in im ehemaligen Kalifat des Islamischen Staates (IS) auf dem Staatsgebiet von Syrien und dem Irak aktuell verdächtig ruhig ist, rüstet ein IS-Ableger in Afghanistan in den letzten Wochen auf. Und bereite dort durch Terroranschläge bereits eine neue Offensive vor. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 hielten sowohl die afghanischen Taliban als auch die staatlichen Streitkräfte eine vereinbarte Waffenruhe ein. Seit Mai 2020 häufen sich jedoch die terroristischen Aktivitäten fanatisierter Islamisten am Hindukusch.
Es fanden unter anderem blutige Anschläge auf die Mitarbeiter eines afghanischen Fernsehsenders, ein Angriff auf eine Entbindungsklinik in Kabul, ein Überfall auf eine Trauergemeinde und die Ermordung des moslemischen Geistlichen Mawlana Muhammad Ayaz Niazi statt. Hinter dieser neuen Anschlagsserie vermuten politische Beobachter und Sicherheitsexperten den afghanischen Ableger des IS, der sich Islamic State Khorasan Province (ISKP) nennt.
IS-Ableger ISKP betreibt Franchise-Terrorismus in Afghanistan
Die afghanische Terrormiliz ISKP soll nach Analysen von Islamismusexperten tatsächliche eine Art „Franchise-Terrorismus“ am Hindukusch betreiben. Gegründet wurde der ISKP bereits im Jahr 2015 auf afghanischem Boden. Damals agierte man noch im Schatten der in der Öffentlichkeit bekannten Taliban. Experten sind sich auch uneinig darüber, ob zur Mutterorganisation IS tatsächlich organisatorische Verbindungen bestehen. Diese scheint derzeit damit beschäftigt zu sein, ihre militärischen und organisatorischen Strukturen in Syrien und im Irak neu aufzubauen.
Vielmehr erweckt das ISKP-Vorgehen in Afghanistan einen autonomen Aktivismus, der zwar ideologisch im Ideen-Kreis des Islamischen Staates angesiedelt ist, aber unabhängig davon die Ziele eines „Welt-Kalifats“ unterstützen und vorantreiben möchte. Für den Friedensprozess in Afghanistan ist damit jenseits der Taliban ein weiterer Mitspieler mit am Tisch, der allerdings auf dem Verhandlungsweg nur schwer zu fassen sein wird.