MH17 Wrackteile

MH17 (Bild: Wrackteile an der Absturzstelle 2014): Nach sechs Jahren findet ein Strafprozess ohne Hauptangeklagte und quasi ohne Fakten statt.

5. Juli 2020 / 23:32 Uhr

MH17-Prozess: Faktenlage auch nach sechs Jahren dünn, trotzdem Anklage

Im Strafprozess in den Niederlanden um die im Juni 2014 über der Ostukraine abgeschossene malaysische MH17-Passagiermaschine ist die Faktenlage dünn. Doch schs Jahre nach dem Absturz wird wegen der Covid-19-Maßnahmen nun gegen die vier Angeklagten Igor G., Sergei D., Oleg P. und Leonid Ch. in Abwesenheit verhandelt.

Der Strafprozess findet in den Niederlanden statt, weil dort die meisten Opfer zu beklagen waren. Allerdings unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Sitzungen sind zwar im Livestream verfolgbar, eine Archivierung des Prozessgeschehens wird von Seiten des niederländischen Gerichts aber abgelehnt.

Anträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung

Im Prozess stellten Staatsanwaltschaft und Verteidigung zahlreiche Anträge zum Verfahren. Die Verteidigung möchte eine Unzahl von im Vorverfahren ungeklärter Fragen neu aufrollen. Und auch neue Zeugen sollen gehört werden, um die behauptete Einseitigkeit des Verfahrens zu bestätigen.

Die Staatsanwaltschaft wiederum führt fortgesetzte Verfahrensverzögerung durch die Verteidigung ins Treffen, um Russland und die vier Verdächtigen einer Strafverfolgung doch noch zu entziehen.

Verdacht auf Raketenabschuss

Die zentrale Frage ist, ob eine russische oder ukrainische BUK-Rakete die Maschine traf. Darum dreht sich die Argumentation von Verteidigung und Staatsanwaltschaft bei anhaltend bescheidener Faktenlage zu den Ereignissen von vor sechs Jahren.

Den vier Angeklagten wird vorgeworfen die BUK-Rakete in die Ostukraine transportiert zu haben. Selbst die Möglichkeit eines Abschusses von MH17 durch ein ukrainisches Kampfflugzeug wird wieder intensiv zwischen den Parteien vor Gericht diskutiert.

Angeklagte nicht am Prozessgeschehen beteiligt

Ein besonderer Treppenwitz ist, dass die vier mutmaßlichen Täter bzw. Mittäter als Angeklagte vor dem Gericht gar nicht physisch anwesend sind, sondern von zwei niederländischen und einer russischen Anwältin vertreten werden, die persönlich noch keinen Kontakt mit ihren Mandaten hatten. Dies soll bis August oder gar erst November auch so bleiben.

Erst seit 19. Juni 2019 laufen überhaupt internationale Haftbefehle gegen die vier mutmaßlichen Täter und nunmehrigen Angeklagten. Prozessbeobachter, die trotz der widrigen Umstände das Geschehen verfolgen, rechnen mit einem Prozessende nicht vor Frühjahr 2021.

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